Mit dem Satz "Die schönste Seereise der Welt" wirbt die Hurtigruten. Aber er stammt nicht von ihnen, sondern ist das Urteil vieler Fachzeitschriften und -büchern (etwa der Dumont-Reiseführer). Und ich - in aller Bescheidenheit - kann dem nur zu 100% zustimmen.
Meine Mutter schwärmte schon ungefähr 20 Jahre davon, die Fjorde Norwegens zu besuchen. Da mein Vater prinzipiell gegen längere Reisen war, und Seereisen überhaupt nicht in Betracht zog, schien es bei einem Wunsch zu bleiben. Als mein Vater 2008 verstarb, beschloss ich, meiner Mutter ihren Traum zu erfüllen. Und mich interessierte die Gegend ohnehin ebenfalls. Mitte 2011 erkundigte ich mich in Reisebüros, und kam rasch auf die "Hurtigruten". Diese ursprünglich als Postschifflinie gegründete Gesellschaft bietet auf ihren Schiffen inzwischen Kreuzfahrten an, und hat die neueren Schiffe auch zu diesem Zweck gebaut. Sie sind kleiner als die "dicken Pötte", die "Queen Mary 2" und wie sie alle heißen. Dafür können sie problemlos in enge Fjorde einfahren und auch in kleinen Orten anlegen, ein Vergnügen, das den "großen" Kreuzfahrtschiffen versagt bleibt.
Dennoch bieten die Schiffe der Hurtigruten alles, was man braucht: Boutique, mehrere Cafés und Bars, eine große Panoramalounge, Sauna, Fitnessraum, Wäscherei, zwei Jacuzzis und so weiter. Überraschend (zumindest für mich) war die doch recht mondäne Ausstattung, die durchaus mit großen Schiffen mithalten kann:
Dazu ein herrlicher Speisesaal, viel Glas, Messing und Holz.
Zufällig saß ich im Herbst 2011 mit einem meiner "ältesten" Freunde (das heißt, wir kennen uns aus Schulzeiten) namens Marcus in einer Pizzeria und wir berichteten gegenseitig von unseren im Sommer verbrachten Urlauben, ich hatte ja gerade wieder eine Reise in die USA absolviert. Gegen Ende des Gesprächs erwähnte er, dass die Reise 2012 sehr teuer werden würde. Ich seufzte, und stimmte zu, ja, Norwegen sei teuer. Da stutzten wir. Wir hatten unsere Reisepläne gegenseitig noch gar nicht erwähnt!
Der Zufall wollte es, dass er mit seiner Frau Elisabeth "Lisi" soeben eine Reise mit den Hurtigruten gebucht hatte. Da er meine Mutter auch gut kennt, und sich mit ihr versteht, und der Termin auch unseren Wünschen entsprach, beschlossen wir, die Reise gemeinsam zu unternehmen. Da ich auf die Gesundheit meiner Mutter Rücksicht nehmen muss (sie leidet selbst bei kürzesten Fußmärschen unter Atemnot - später diagnostiziert als COPD), buchte ich eine Kabine am gleichen Deck 5 sogar im gleichen Gang, aber weiter vorne mit besserer Aussicht. Und etwas größer war diese Kabine auch. Um keine Irrtümer aufkommen zu lassen: Luxus sucht man vergebens. Zwei Betten, ein Frisiertisch, ein Sessel, ein Glastischchen und zwei Schränke. Dazu eine Nasszelle mit WC, Dusche und Waschbecken. Ach ja, ein Telefon. Das war's auch schon. Aber bereits nach wenigen Tagen hatten wir uns daran gewöhnt. Das übrige Schiff bot so viele Möglichkeiten, insbesonders die auf Deck 7 befindliche Panoramalounge, dass die Größe der Kabine nicht wichtig ist.
Vom Reisebüro wurde alles super erledigt, der Flug von München nach Bergen (der Ausgangs- und Endpunkt unserer Reise), der Bustransfer zum Schiff und die Schiffsreise selbst. Auch an eine Übernachtungsmöglichkeit in Flughafennähe wurde gedacht, weil wir am letzten Tag der Reise erst spät in München ankamen, und ich nach den Strapazen des Fluges nicht mehr nach Österreich zurück fahren wollte. Praktisch ist, dass wir bei der Anreise den Privatwagen bei diesem Landgasthof abstellen konnten, wir wurden zum Flughafen gebracht und nach Rückkehr wieder abgeholt.
Also war alles organisiert, und wir durften nach den üblichen Formalitäten aufs Schiff. Unser Schiff war die MS Nordkapp, 1996 in Dienst gestellt. 123 Meter lang, fast 20 Meter breit, aber nur 4,5 Meter Tiefgang. 7 Decks, 226 Kabinen, 59 Besatzungsmitglieder und maximal 622 Passagiere (die aber nicht alle übernachteten, viele Norweger nutzen die Hurtiglinie wie einen Bus von Ort zu Ort).
Man bekommt eine Karte mit dem eigenen Namen, Schiffsname und Kabinennummer. Diese Karte dient sowohl dem Zutritt zum Schiff, als Kabinenschlüssel und auch als Zahlungsmittel. Sämtliche Mahlzeiten waren zwar im Preis inbegriffen, jedoch keine Ausflüge oder Getränke (außer beim Frühstück). Es gab aber die Möglichkeit eines "Coffee-Deals". Man kaufte einen Thermosbecher aus Aluminium (mit Hurtigruten-Aufdruck), den man nachher behalten durfte. Diesen Becher konnte man jederzeit an mehreren Automaten gratis mit Kaffee oder Tee auffüllen. Da ich ohnehin sehr gerne und viel Tee trinke, war das ideal. Mehrere Sorten von Twinings zur Auswahl. Sehr praktisch. Eine kurze Berechnung ergab, dass sich dieser Becher nach zehn Füllungen "amortisiert" habe. Diese hatte ich bereits am dritten Tag erreicht. Auch in der Boutique und in den Bars konnte man mit dieser Karte zahlen, sogar die Landausflüge wurden so beglichen. Wie viele an Bord trug ich die Karte an einem Band um den Hals.
Da wir das Schiff erst um 19:00 Uhr bestiegen (nach der Sicherheitsunterweisung), war an diesem "Tag 1" nicht mehr viel. Das Ablegen wurde ordentlich zelebriert, die meisten Passagiere standen an der Reling. Übrigens hauptsächlich Deutsche und Österreicher, aber auch US-Amerikaner, Japaner, Italiener, Franzosen und natürlich Norweger, die aber das Schiff hauptsächlich wie einen Bus von Hafen zu Hafen nutzen. Dann die üblichen Einweisungen, Vorstellung der Crew und unseres Reiseleiters Johan (der übrigens für diesen Job geboren schien!). Sowie das erste Abendessen. Jeder Kabine ist ein Tisch zugewiesen (wir saßen natürlich mit Marcus und Lisi zusammen, da wir ja gemeinsam gebucht hatten). Beim Frühstück gibt es freie Platzwahl, ein riesiges, reichhaltiges Buffet wartet. Mittags auch Buffet, mehrere warme Speisen zur Wahl, natürlich viel Fisch und Meeresfrüchte. Abends gab es ein Menü, welches fast immer aus Fisch bestand. Ich hatte am ersten Tag angegeben, keinen Fisch zu mögen. Das stellte kein Problem dar, ich bekam ein Kärtchen auf meinen Platz gestellt, und bekam ein Ausweichmenü. Dieses Kärtchen kam übrigens ab sofort jeden Tag automatisch. Die Organisation klappt hervorragend, das Personal ist absolut tadellos in Uniform gekleidet, spricht oft mehrere Sprachen und ist sehr freundlich und hilfsbereit.
Bald fielen wir erschöpft in unsere Betten (oder sollte ich von Kojen sprechen?). Das Schiff lag sehr ruhig, und man könnte ohne weiteres denken, man sei in einem Hotel. Allerdings sollte sich im Verlauf der Reise herausstellen, dass selbst ein so großes Schiff nicht immer so ruhig lag...
Der nächste Tag brachte gleich einen unserer Höhepunkte. Die Einfahrt in den Geiranger Fjord. Zum Glück war das Wetter moderat, teils wolkig, manchmal sonnige Abschnitte, erst gegen Abend ein paar kurze Regenschauer. Angeblich ist der Geiranger Fjord einer der schönsten und längsten Norwegens. Herrlich. Steile Klippen auf beiden Seiten, nicht selten senkrecht. Viele Wasserfälle rechts und links, die teilweise bis 400 Meter hoch waren.
Kurz vor Ende des Fjords (vor der kleinen Ortschaft Geiranger) konnte man an der linken Seite (Nordufer) des Fjords einen der spektakulärsten Wasserfälle sehen, die "Sieben Schwestern". Siehe beide Bilder oben, aus verschiedenen Winkeln. Genau gegenüber ist ein weiterer Wasserfall, der "Freier". Die Sage erzählt, dass der Freier um die Hand jeder der sieben Schwestern angehalten hätte, jedoch abgewiesen worden war. Aus Kummer verfiel er der Trunksucht. Dieser Wasserfall "Freier" sieht nämlich wie eine Flasche aus (oben schmal, und unten breiter). Da hier die Schneeschmelze noch im Gange war, konnten wir wirklich alle sieben Schwestern sehen (zählt nach!). Übrigens stürzt das Wasser hier ziemlich genau 300 Meter in die Tiefe. Im Hochsommer sieht man oft nur drei oder vier der "Schwestern" - dann heißt es, die anderen seien "shoppen" ☺. Im Ort Geiranger lag übrigens die "Queen Victoria" vor Anker. Wenn uns unsere "MS Nordkapp" schon richtig groß erschien, neben der "Victoria" sah sie wie ein Beiboot aus. Und die "Victoria" ist nicht mal halb so groß wie etwa die "Oasis Of The Seas". Auf folgendem Bild ist der Unterschied "Nordkapp" vs. "Queen Victoria" sehr gut zu erkennen:
Rechts die "Queen Victoria", und in der Mitte läuft gerade die "MS Nordkapp" aus.
Moment. "Auslaufen"? Und wie konnte ich das Photo machen? Hatten die mich etwa vergessen?
Mitnichten. Wir vier hatten nämlich eine Bustour gebucht, von Geiranger nach Molde, wo wir am späten Abend wieder an Bord gehen würden. Übrigens ist oben auf dem linken Bild der "Sieben Schwestern" auch unser Schiff zu erkennen, wie es Geiranger verlässt. Gleich zu Beginn der Tour erklommen wir die "Adlerstraße", enge Serpentinen, die von Geiranger zu einem Aussichtspunkt führen, von dem man Geiranger, einen Teil des Fjordes und die "Sieben Schwestern" sehr gut überblicken kann. Das Photo oben von Geiranger sowie das linke der beiden "Sieben Schwestern"-Photos sind hier entstanden.
Diese Bustour sollte uns dann weiter durch das Land der Trolle führen, zwei Fährpassagen über Fjorde sowie einen Unterwassertunnel kurz vor Molde. Diese Touren wurden übrigens auf Deutsch geführt, meist standen mehrere Busse bereit, und in der Windschutzscheibe klebte ein Schild, welche Sprache im Bus verwendet wurde. Diese Busreise zeigte uns ein paar herrliche Landschaften, teils karg, teils üppig. Viele Schluchten, Wasserfälle und nur wenige Gebäude. Unter anderem erreichten wir auch den höchsten Punkt unserer Reise. Gut, 1500 Meter hört sich nicht nach viel an, aber in Norwegen bedeutet das schon deutlich über der Baumgrenze. Hier lag noch relativ viel Schnee. Laut unserer Reisebegleiterin wurde hier vor zwei Wochen noch Ski gelaufen.
Noch weiter kamen wir zu einem der schönsten Punkte der Reise, der "Trollstigen". Eine 405 Meter hohe teils fast senkrechte Wand, in die eine Straße geschlagen wurde. Trollstigen heißt übrigens "Troll-Leiter", also keine bequeme Stiege! Sehr steil abfallend, eng und kurvenreich. Und zu allem Überfluß stürzt auch noch ein Wasserfall den Hang hinab. Autos müssen auf den Gegenverkehr warten, man braucht gute Nerven. Ein Hoch auf unseren Busfahrer Björn, der diese Tour sicher nicht zum ersten Mal machte.
Wie man sieht, hatten wir Glück mit dem Wetter. Bei jeder Rast war das Wetter okay (mit einer Ausnahme), manchmal schien sogar die Sonne. Nur während der Fahrt hie und da ein paar Regentropfen. An dieses Wetter sollten wir uns gewöhnen, denn noch oft präsentierte es sich auf diese Weise. Ähemm, na gut, manchmal war es noch schlechter. Denkt Euch oben in der Aufzählung die "Sonne" weg... Also ein herrlicher Ausflug. Abendessen in Molde, im "Hotel Alexandra". Anschließend gingen wir wieder an Bord. Und, ich kann Euch versichern, nach diesem abenteuerlichen und interessanten Tag schliefen wir besonders gut.
Der dritte Tag brachte nicht viel. Ein Tag zum Relaxen. Panoramalounge. Meine Mutter und ich faulenzten (wir sind schließlich in Urlaub!). Nur Lisi und Marcus machten einen kurzen Spaziergang durch eine Stadt. Man bleibt meist nicht lange in den Städten oder Ortschaften.
Am vierten Tag früh morgens überquerten wir den Polarkreis. Da es relativ früh war, und an diesem Tag einige Ortsbesichtigungen anstanden, fand die "eigentliche" Polarkreistaufe erst am Vormittag des nächsten Tages statt. Wir kamen nach Bodø (dieses durchgestrichene "o" wird wie ein "ö" ausgesprochen). Von hier aus konnte man Kajak-Touren und ähnliches unternehmen. Wir entschieden uns nicht für eine Tour. Gegen Mitternacht fuhren wir in den extrem engen "Trollfjord" ein. Das Wetter war nicht besonders, ich hoffte auf die Rückreise, wo dieses Ereignis an einem Nachmittag stattfinden würde. Nur Marcus und Lisi blieben auf und machten Photos. Wie sich später herausstellen sollte, war dies die richtigere Entscheidung. Ein herrlicher Fjord. Drinnen ist es so eng, dass man glaubt, man bräuchte nur den Arm auszustrecken und würde die Felsen berühren. Umdrehen kann unser Schiff nur, weil sich der Fjord etwas weitet, und unsere Nordkapp am Bug und Heck mit Querstrahlrudern ausgestattet ist. Es verlaufen am Bug und am Heck "Tunnel" quer durch das Schiff, durch die Wasser gepumpt werden kann, somit kann das Schiff seitwärts fahren oder - wie in diesem Fall - sich auf der Stelle drehen.
Am Tag 5 erfolgte die "Polarkreistaufe". Neptun persönlich (jaja, ich weiß, es war nur ein verkleideter Mitarbeiter des Schiffes - aber lasst mich in dem Glauben, ja ???) - also, Neptun persönlich stieg empor und taufte diejenigen, die das wollten.
Eine Schöpfkelle Eiswasser mit Eiswürfeln hinten in den Kragen. Jawollja. Und anschließend ein Stamperl zum Aufwärmen. Sicherlich das einzige alkoholische Gratis-Getränk, das wir bekommen würden... Es waren zwar sehr viele Zuseher zu dem Spektakel gekommen, aber nur relativ wenige Taufwillige. Natürlich machten wir vier alle den Spaß mit.
Man weiß ja, was passiert, dennoch schreit man kurz auf. Außerdem habe ich den Verdacht, dass bei denen, die sich gleich meldeten, mehr Wasser und Eis genommen wurde, als bei denen, die sich erst lange bitten lassen mussten... Ich musste nachher die gesamte Wäsche wechseln - ausgenommen Schuhe und Socken ☺)
Insbesondere am ersten Photo sieht man sehr schön die Eiswürfel...
Solche oder ähnliche Mimik zeigten die meisten Teilnehmer. War ein Riesenspaß.
Nach diesem netten Gag fanden wir alle ein "Polarsirkel Sertifikat" an einer Klemme unserer Kabinentür. Viersprachige Ausführung ☺. Nachmittags erreichten wir Tromsø. Das ist die nördlichste Universitätsstadt der Erde, und hat die nördlichste Kathedrale. Es wurden geführte Sightseeing-Touren angeboten. Doch wir vier wollten unser eigenes Programm durchziehen. Wir wollten die "Eismeerkathedrale" sehen. Dies ist die umgangssprachliche Bezeichnung, diese Kirche ist nicht ident mit der oben erwähnten Kathedrale. Der Name dieser Kirche ist eigentlich Tromsdalen kirke. Bekannt ist sie durch das größte Buntglasfenster Europas. Wir ließen uns von enem Taxi dorthin bringen.
Die Kirche ist ein absolut modern anmutender Bau, der das Eis, das Polarlicht und die lange Dunkelheit veranschaulichen soll. Aber diese Kirche wurde schon 1965 gebaut. Wirklich beeindruckend - allerdings muss Eintritt gezahlt werden. Das erste Photo habe ich von Deck unseres Schiffes aufgenommen - mit 400er Teleobjektiv.
Ein Taxi brachte uns zurück ins Stadtzentrum, und wir flanierten durch die Stadt zum Kai, wo wir wieder auf die MS Nordkapp gingen. Mit dem Wetter hatten wir Glück. Es war zwar bewölkt, aber kein Niederschlag. Die Stadt besteht aus zwei Teilen, ein Teil (mit der Eismeerkathedrale) liegt auf dem Festland, der andere Teil auf einer Insel. Die Verbindung ist ein Unterwassertunnel und eine anmutig geschwungene Brücke, die Tromsøbrua (= Tromsøbrücke). Wiederholt durften wir feststellen, dass die vielen Brücken Norwegens oft sehr eigen geschwungen sind.
Tag 6 brachte wieder einen absoluten Höhepunkt. Das Erreichen des Nordkaps. Das Nordkap gilt als der nördlichste Punkt Europas. Was in mehrerlei Hinsicht falsch ist. Es ist nicht mal der nördlichste Punkt des Festlandes, weil es auf einer Insel liegt. Und die zu Europa gehörende Insel Spitzbergen liegt noch viel weiter nördlich. Dennoch ist es ein absolut beeindruckender Ort. Eine 307 Meter hohe senkrechte Klippe, die immerhin auf 71° 10' 21" nördlicher Breite liegt, nur 2100 km vom Nordpol entfernt. In Honningsvåg (das "å", also das a mit einem kleinen o darüber wird ausgesprochen wie eine Mischung der beiden Buchstaben, etwa im bayrisch-österreichischen Dialekt das A in "was" oder "Tag") legten wir an und wurden mit Bussen ins Besucherzentrum gebracht. Auf der Fahrt dorthin hörten wir viel über das Volk der "Samen" (frühere Bezeichnung: Lappen), und machten auch Halt bei einer kleinen Station mit Souvenirshop.
Das Besucherzentrum allein ist schon beeindruckend. Vier Stockwerke, ein Teil unterirdisch, mit einer eigenen Kapelle, einem Thai-Museum und einem phantastischen Restaurant (die "Grotte") vor einem riesigen Fenster unterhalb des "eigentlichen" Nordkaps. Der berühmte Metallglobus selbst ist über einen kurzen Fußweg erreichbar. Dennoch tat sich ein Großteil unserer Mitreisenden diesen Gang nicht an, aber wir vier schon. Es wehte nämlich eine extrem steife Brise. Irgendwer hat uns was von deutlich über 100 km/h erzählt. Ich kann das nicht verifizieren, aber gefühlsmäßig kommt das hin. Man musste bei Windböen immer wieder stehenbleiben, denn auf einem Bein wurde man einfach umgeweht. Das könnt ihr überall nachlesen, bei 100 km/h Wind ist ein "normales" Gehen nicht mehr möglich. Die paar Stufen zum Globus legten einige auf allen Vieren zurück ☺. Positiv war, dass der Zutritt zum Areal bei so einem Wetter kostenlos war. Dennoch ist es ein besonderes Gefühl, diesen Punkt erreicht zu haben. Man ist irgendwie "stolz", sagen zu können, man war am Nordkap, besser kann ich es nicht ausdrücken. Jährlich kommen nur ca. 200.000 Leute hierher. Erst 1956 wurde die erste Straße gebaut, 1999 die Tunnelverbindung zum Festland.
Auf der Rückfahrt sahen wir die ersten freilaufenden Rentiere. Diese gehören übrigens alle dem Volk der Samen (in Norwegen und Schweden).
Tag 7. Und somit hatten wir die Hälfte der Reise bereits hinter uns. Vormittags legten wir in Kirkenes an, dem Umkehrpunkt unserer Fahrt. Da dieser Ort nahe der russischen Grenze liegt, standen zwei Fahrten zur Grenze zur Auswahl. Wenn auch Norwegen nicht EU-Mitglied ist, so ist es dennoch Schengen-Außengrenze. Ich entschied mich für eine Speed-Boat Tour zur Grenze, die an einer Stelle quer durch den Bøkfjorden verläuft. Lisi und Marcus erkundeten Kirkenes, meine Mutter blieb an Bord. Das Wetter war ganz gut, leicht bewölkt mit immer wieder sonnigen Abschnitten. Nur elf Personen vom Schiff entschieden sich für diese Bootstour, es gab auch eine Busreise, aber da sieht man die Grenze nur von einem Parkplatz. Wir bekamen blaue Overalls verpasst, die wasserdicht waren (und winddicht, was von Vorteil war). Dazu das obligatorische Life-Jacket und ab ging die Fahrt den Fjord entlang. Nach einigen Kilometern kamen wir an eine Stelle, wo eine hölzerne Aussichtsplattform errichtet worden war. Auf der einen Seite wehte die norwegische Fahne, auf der anderen die russische. Nur wenige Schritte entfernt befand sich die eigentliche Grenze. Wir wurden mißtrauisch beobachtet von einem norwegischen Grenzposten auf einem Wachturm mit einem Fernglas.
Der gelbe Pfosten im Bild gehört zu Norwegen, der rote zu Russland. Früher reichte hier Finnland bis an die Barentssee, heute ist die finnische Grenze 35 km entfernt, und Norwegen grenzt direkt an Russland. Wir erfuhren wieder einiges über die Geschichte, und auch die Lebensweise der Samen. Wir bekamen Tee und ein Früchtesorbet. Und das bei sonnigem Wetter. Herrlich, hier auf dieser Holzplattform direkt am Fjord zu sitzen. Doch viel zu bald mussten wir die Rückreise antreten. Zum Mittagessen war ich wieder an Bord, Lisi, Marcus und meine Mutter warteten schon auf mich.
Das Ablegen von Kirkenes war ein etwas emotionaler Moment, schließlich fuhren wir von nun an zurück.
Tag 8. Wer sehr bald aufstand, nämlich um 05:50 Uhr hatte die Möglichkeit, das Frühstück am Nordkap einzunehmen. Wir vier verzichteten, dennoch wachte ich gegen 04:00 Uhr auf. Es war sehr hell in der Kabine. Die Sonne schien. Nun ja, im Land der Mitternachtssonne nichts ungewöhnliches. Ich drehte mich um, und schlief weiter. Erst am Morgen erkannte ich, was das hieß: strahlender Sonnenschein, blauer Himmel, absolut wolkenlos. Ein traumhafter Tag. Der erste komplett sonnige Tag der Reise. Kurz vor Mittag legten wir in Hammerfest an. Hammerfest darf sich seit 1789 "Die Nördlichste Stadt Europas" nennen (obwohl das 1990 zur Stadt erhobene Honningsvåg eigentlich nördlicher liegt).
Hammerfest war eine Fischerei und Walfang betreibende Stadt. Und der Ausgangspunkt für viele Polarexpeditionen. Just als sich Mitte der Achtziger Jahre das Ende der fischverarbeitenden Industrie abzeichnete, fand man in der Nähe ergiebige Erdgasvorkommen. Eine riesige Erdgasverflüssigungsanlage und eine Raffinerie entstand, und somit viele Arbeitsplätze. Hammerfest hat heute 10.000 Einwohner, Tendenz stark steigend. Nicht zuletzt wegen der langen Winternächte bekam die Stadt als eine der ersten in Europa schon 1891 eine elektrische Straßenbeleuchtung.
Während meine Mutter und ich eine Stadtrundfahrt gebucht hatten, erkundeten Lisi und Marcus die Stadt per pedes. Der Bus fuhr zuerst durch die Innenstadt, dann durch die neuen Außenbezirke und hielt an zwei Aussichtspunkten, einmal beim "Meridian Stein". Dieser erinnert an ein Erdvermessungsprojekt, 3000 km lang, von Hammerfest bis ans Schwarze Meer wurden 265 geodätische Vermessungspunkte gesetzt, um die Form der Erde (Abplattung an den Polen) genau zu bestimmen. Unter Federführung des deutschbaltischen Astronomen Wilhelm von Struve. Der zweite Stopp war der Aussichtspunkt "Salen", 80 Meter über der Stadt. Von diesem entstand folgende Aufnahme:
Im Hintergrund auf der Halbinsel ist die Erdgasanlage zu erkennen, mit der typischen Flamme. In der Mitte des Bildes unsere MS Nordkapp. Übrigens ist dieser Aussichtspunkt nur eine Wiese mit einer einzigen Sitzbank. Keinerlei Abzäunung zum ziemlich steil abfallenden Abgrund (nochmals: 80 Meter).
Hammerfest ist eine sehr schöne kleine Stadt, die sich malerisch um eine Bucht schmiegt. Sehenswert. Und wir hatten das Glück, wunderbares Wetter zu haben. Die Sonne scheint hier nämlich nur 1400 Stunden pro Jahr. Der Hafen bleibt übrigens aufgrund des warmen Golfstroms auch im Winter absolut eisfrei.
Nachmittags legten wir ab. Endlich konnten wir in Liegestühlen an Deck sitzen. Doch schon gegen Abend wurde das Wetter wieder schlechter. Zum Glück konnten wir einige schöne Aufnahmen machen, nicht nur von Hammerfest, sondern auch andere Küstenlandschaften. Gegen Abend konnte ich diesen Schnappschuss machen, im Vordergund noch Sonne, dahinter schon dunkle Wolken. Das Photo ist übrigens in Originalfarben, ich habe daran absolut nichts verändert:
Tag 9. Am frühen Nachmittag machten wir fest in Stokmarknes. Eine halbe Stunde Aufenthalt. Marcus, Lisi und ich besuchten das "Hurtigruten-Museum". Mit unserer Bordkarte hatten wir freien Zutritt. Viele ältere Schiffe sind als Modelle ausgestellt und man kann etliche Exponate sehen, etwa ehemalige Ausrüstungsgegenstände, teils sogar Nachbauten von alten Kabinen und Schiffsbrücken. Wirklich interessant ist aber die zum Museum gehörende "MS Finnmarken". Dieses 1956 in Dienst gestellte Schiff ist seit der Ausmusterung 1993 neben dem Museum aufgedockt und mit einer Brücke mit dem Museum verbunden. An Bord scheint sich nichts verändert zu haben, viele Kabinen sind offen, die gesamte Ausrüstung ist noch da. Im Büro des Reiseleiters stehen noch alte Computer, und Zettel hängen an der Wand. In der Küche stehen noch alle Herde und Kühlschränke. Auf der Brücke und im Kartenhaus liegen noch alte Seekarten, und alle Geräte sind an ihrem Platz. Wie wenn das Schiff erst gestern verlassen worden wäre. Man kann in den Speisesälen und Lounges Platz nehmen, und einen Spaziergang über das Deck machen, auch der Stuhl des Kapitäns ist an Ort und Stelle.
Wirklich ein Trip in die Vergangenheit.
Vorgesehen war am späten Nachmittag eine Einfahrt in den Trollfjord und für den Abend hatten meine Mutter und ich eine Sightseeing-Tour durch die Inselgruppe der Lofoten gebucht.
Doch das Wetter wurde immer schlechter. Dauerregen und der Wind nahm zu. Bald wurde über Lautsprecher durchgegeben, dass der Trollfjord nicht angefahren werden könne. Schade. Wie bereits oben erwähnt, hatten Lisi und Marcus mehr Glück gehabt, weil sie den Trollfjord am Tag 4 gegen Mitternacht bereits gesehen hatten.
Doch die schlechten Nachrichten wurden immer mehr. Sämtliche Ausflüge (auch unser Lofoten-Ausflug) wurden wetterbedingt abgesagt. Als dann bei einem Stopp in einem Hafen alle "Tagesgäste" aufgefordert wurden, das Schiff zu verlassen, da wahrscheinlich die nächsten Häfen gar nicht mehr angelaufen werden können, wussten wir, dass uns "schweres Wetter" bevorstand. Meine Mutter und ich zogen uns in unsere Kabine zurück. Wobei ich dazu sagen muss, dass die Lifte wegen der unruhigen See gesperrt waren, und Stiegensteigen inzwischen zur echten Mutprobe mutierte. Wenn man sowas nicht erlebt hat, kann man sich das nicht vorstellen. Auch diese Handläufe, die in allen Gängen angebracht waren, sind da nicht nur aus nostalgischen Gründen. Um Euch eine Vorstellung zu geben: seht Euch das Photo vom Schiff ganz oben im Bericht an. Sucht das Deck 5 (das ist dort, wo die vielen Menschen stehen). Auf Deck 5 war auch unsere Kabine. Und wir sahen die Gischt der Wellen am Fenster vorbeiziehen!
Das muss man erst mal verarbeiten. Später erfuhren wir, dass wir Windstärke 11 (nach der 12-teiligen Beaufort-Skala) hatten. Also Windgeschwindigkeiten jenseits der 100 km/h. Laut Skala heißt das "orkanartiger Sturm", es gibt nur noch eine einzige Steigerung, nämlich "Orkan". Wellenhöhe hatten wir 4-5 (in Worten: vier bis fünf) Meter. Auch das müsst Ihr Euch bildlich vorstellen. An Schlafen war kaum zu denken. Erstens musste man sich ans Bett klammern, um nicht herauszufallen, und zweitens hatten wir dabei einen Heidenspaß. Wir vier durften sehr bald feststellen, gegen Seekrankheit immun zu sein, also nahmen wir das Geschaukle mit Humor. Besonders meine Mutter amüsierte sich königlich...
Am nächsten Tag erfuhren wir, dass es einigen Mitreisenden ziemlich schlecht ergangen war...
Hier kam uns die gute Aussicht von der Kabine zu Gute. Wir standen viel am Fenster (naja, es war mehr ein Anklammern ans Fensterbrett). Das heißt, wir schliefen wenig und ließen daher das Frühstück am Tag 10 ausfallen. Das Zimmermädchen wurde weggeschickt, wir schliefen den Vormittag lang. Da ich mich generell nicht wohl fühlte, ließ ich auch das Mittagessen sausen, machte nur wenige Photos und hütete das Bett. Erst am Abend zum Captain's Dinner kam ich in den Speisesaal.
Den Abend beschlossen wir vier wie üblich in der Bar auf Deck 7. Live-Musik, nette Aussicht, was will man mehr? An diesem Tag um 23:00 Uhr fand übrigens eine "Modenschau" statt, das heißt die Besatzungsmitglieder präsentierten die Modeartikel der Boutique. Dass sich dabei unser Reiseleiter Johan endgültig zum Affen machte, einen Striptease aufführte und sich in einem gestreiften Schlafanzug der 50er Jahre präsentierte (samt Zipfelmütze ☺) sei nur am Rande erwähnt.
Tag 11 brachte nicht viel Neues. Wetter wie üblich, ein Mix aus Wolken, Sonne und ein wenig Niederschlag. Dennoch gelangen uns noch ein paar nette Photos. Wir hielten uns viel in der Panorama-Lounge auf, es wurden einige enge Fjorde durchfahren, und die Camera stand im Dauereinsatz. Außerdem machte sich eine betrübte Stimmung breit (passend zum Wetter), da es unser letzter vollständiger Tag an Bord sein sollte. An dieser Stelle ein Photo, welches ich bisher nicht gezeigt habe - das Bild spricht für sich, man beachte die Zeiteinblendung rechts unten.
Abends eine letzte Versammlung, wir wurden über das Aus-Checken am nächsten Tag informiert.
Tag 12 also. Der Vormittag stand uns noch zur Verfügung. Die Kabine mussten wir bis 09:00 Uhr räumen, die Koffer wurden durch das Personal von Bord gebracht. Die meiste Zeit verbrachten wir wieder in der Panorama-Lounge. Zusehen, wie die Welt an den Fenstern vorbeigezogen wird. Ich machte noch einen Rundgang durch's Schiff, besuchte etwa Deck 6 mit den Jaccuzzis. Ich wollte noch etliche Eindrücke und Erinnerungen auf Photo bannen, bevor die Fahrt zu Ende ging. Hier entstand noch eine Aufnahme, die das Ende der Reise vielleicht am Besten charakterisiert:
Man kann deutlich die Aufschrift "Post" erkennen, weil die Hurtigrutenschiffe immer noch als Postschiffe geführt werden.
Nach dem Mittagessen setzten wir vier uns in der Cafeteria zusammen, ich überspielte die Photos meiner Mitreisenden auf meinen Laptop. Man nahm Abschied vom Schiff. Ja, ich gestehe, es war ein wenig wehmütig...
Um 14:30 legten wir in Bergen an und gingen von Bord. Die Busse standen schon bereit, die uns zum Flughafen brachten. Über den Rückflug nach München brauche ich nichts zu schreiben. Abflug bei Regen und gerade mal 12°C. Ankunft in München gegen 19:00 Uhr bei strahlendem Sonnenschein und 30°C. Und wir in den Winterjacken. Meine Mutter und ich wurden abgeholt, und wir saßen noch im Gastgarten unseres Landgasthofes. Gegen 21:00 stellten wir fest, dass es dämmerte - und danach dunkel wurde. Ein Ereignis, das wir die letzten Wochen nicht mehr gewohnt waren. Das Abendessen bestand aus typischer heimatlicher Kost. Frittatensuppe (wenn auch auf der Speisekarte als "Pfannkuchensuppe" aufgeführt) und ein Grillteller. Ich hatte mich schon darauf gefreut.
Am nächsten Tag gondelten wir ganz gemütlich über Landesstraßen nach Österreich zurück...
Und wieder hat es Euer Autor Markus geschafft, sich wegen einer Reise mit einer großteils neuen Kameraausrüstung einzudecken. Zunächst eine neue Canon EOS 600D (mit Schwenkdisplay und 18 Megapixel) mit dem bereits bewährten Tamron 17-50mm Objektiv, sowie meine bereits bekannte EOS 450D mit dem Canon EF 100-400mm f/4.5-5.6 L IS USM. Das ist eine dieser weißen Röhren, die "L"-Klasse der Canon Objektive. Als Kompaktcamera habe ich neuerdings eine Canon SX150 IS mit optischem 12-fach Zoom und 14,1 Megapixel. Es ist mehr als einmal passiert, dass ich beide Spiegelreflex-Cameras um den Hals hängen hatte, und die Kompakte in der Jackentasche. Mir entging nichts - allerdings meinen Freunden auch nicht...☺